Wenn Hauser sprechen konnten, was wurden sie uns erzahlen? Die Autorin Barbel Reetz wohnt an der Marienstraße 23 in Berlin und hat ihr Haus zu seiner Biografie befragt. Da das Haus schwieg, begab sie sich in Archiven, Buchern und im Internet auf Spurensuche und begann darauf aufbauend eine Geschichte zu weben. Diese beginnt im Jahre 1828, als der Chemiker Friedrich Accum, der nach Berlin zog, um in London einer Haftstrafe zu entgehen, das Haus bauen ließ. Nach dessen Tod betrieb sein Sohn Fredrick Accum einen Delikatessen- und Teeladen im Haus, bevor der Arzt Karl Schweigger seine Augenklinik in diesen Raumlichkeiten einrichtete. Im Laufe seines langen Lebens wurde das Haus zudem von einem Schauspieler, einem Pferdehandler und einem Sexualwissenschaftler bewohnt und wurde, als die Rote Armee Berlin eroberte, gar als NKWD-Gefangnis genutzt. Die Spuren und Dokumente, die Barbel Reetz uber das Haus und seine BewohnerInnen zusammengetragen hat, bilden das Gerust, die Fassade dieser Geschichte; was sich dahinter, hinter geschlossenen Turen und offenen Fenstern abgespielt haben konnte, erfindet sie hinzu. So spaziert die Erzahlerin vertieft in einem Totengesprach mit Friedrich Accum durchs Berlin des fruhen 19. Jahrhunderts, lasst dessen Sohn Fredrick Briefe an seinen Kindheitsfreund in London schreiben und stellt sich vor, was 1945 im Tagebuch eines russischen Offiziers, dem Vorsteher des NKWD-Gefangnisses, gestanden haben konnte. "Berlin, Marienstraße 23" ist die faszinierende Geschichte eines Hauses und seiner BewohnerInnen genau so, wie sie hatte gewesen sein konnen.