Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden. Aber warum als Mann? Anselm Schubert zeigt in seiner faszinierenden Darstellung, dass von der Antike bis zur Gegenwart immer auch andere weibliche oder androgyne Christusbilder wirkmachtig waren, und fuhrt uns so ein unbekanntes, erstaunlich diverses Christentum vor Augen. In der Antike war vollkommenes Menschsein gleichbedeutend mit vollkommener Mannlichkeit: Christus musste daher ein Mann sein und keusch bis hin zur Asexualitat. Im Mittelalter waren die Geschlechterordnungen weniger starr: Theologen diskutierten, ob Christus auch als Frau hatte Mensch werden konnen. Die Mystik feierte Christus als mannlichen Brautigam oder weibliche Inkarnation Gottes. Kabbalisten, Alchemisten und Prophetinnen der Fruhen Neuzeit erhofften sich von einem androgynen Christus die Vollendung beider Geschlechter. Erst im 19. Jahrhundert ruckte die Frage in den Vordergrund, wie man sich Jesus als echten", virilen Mann vorstellen kann. Gegen das betont mannliche Bild vom Vater-Gott und seinem Sohn protestierte die feministische Theologie im 20. Jahrhundert mit einem weiblichen Christus. Queere Theolog:innen verkunden einen schwulen, bisexuellen, transsexuellen, intersexuellen oder polyamoren Jesus. Die selbstverstandliche Mannlichkeit Christi gilt als der letzte blinde Fleck der Christentumsgeschichte. Anselm Schubert bringt in seinem langst uberfalligen, meisterhaft geschriebenen Buch Licht ins Dunkel der patriarchalisch gepragten Erzahlungen.