Das Vermachtnis der Tante Susanne ist eine spannende Geschichte von Isolde Kurz. Reinlesen: Das kleine Stadtchen, wo ich meine Kindheit verbrachte, wimmelte von wunderlichen Originalen. Eines der auffallendsten war das alte Fraulein Susanne Gutbrot, pensionirte Lehrerin an der Madchenschule, eine Gestalt von so beangstigender Haßlichkeit, daß sie noch Jahre lang, nachdem ihre Leiblichkeit schon vom Erdboden verschwunden war, als boser Geist durch meine Traume schlich. Sie hatte ein Gesicht, das fast nur Nase war, dunnes, weißes Haar, ein graues, stachliges Schnurrbartchen und pflegte im Gehen mit einer tiefen, rauhen Stimme vor sich hin zu brummen. Sommer und Winter trug sie ein schmieriges, schwarzseidenes Fransentuchlein um den Kopf und einen verschossenen, turkischen Shawl um die Schultern, beides sorgfaltig nach hinten ins Dreieck gelegt, so daß sie, vom Rucken gesehen, einer wandelnden geometrischen Zeichnung glich.