Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs legt der franzosische Soziologe und Kulturtheoretiker Roger Caillois mit Der Mythos und der Mensch eine Kulturen und Zeiten ubergreifende Studie uber die Bedeutung der Einbildungskraft fur die Welt der Erkenntnis und das menschliche Handeln vor. Von Beschreibungen sogenannter Naturvolker uber Legenden aus dem alten China bis hin zum literarischen Paris des 19. Jahrhunderts: Auf individueller wie auf sozialer Ebene kommen im Mythos, so Caillois' radikale These, grundlegende Prinzipien zum Ausdruck, die der Mensch mit der Natur teilt, sodass ihm die Natur umgekehrt wiederum als Bild und Ausdruck dieser Prinzipien erscheinen kann. Ausgehend von der Durkheim-Schule und den Forschungen Marcel Mauss' konfrontiert Caillois das Denken uber den Mythos mit den Erkenntnissen deutscher, englischer und amerikanischer Soziologie. Von Vertretern der Kritischen Theorie wurde seine Vorstellung einer falschen Totalitat von Mensch und Natur angegriffen, doch zugleich gilt es die analytische Qualitat eines Denkens anzuerkennen, das radikal auf die Wirklichkeit zielt.