Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediavistik, Note: sehr gut (1,0), Freie Universitat Berlin (Institut fur Ältere Literatur und Sprache), Veranstaltung: Geistliches Spiel, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Annahme, dass den uns heute noch bekannten Weltgerichtsspielen1 eine gemeinsame Vorlage zugrunde liegt, wird in der neueren wie alteren Forschung nicht bestritten. Erscheint sie doch, bei Vergleich der uberlieferten Spiele, als evident. Nichtsdestotrotz hat sich das Forschungsinteresse deutlich verschoben: vom Ideal einer klassischen Einheitsasthetik der Lachmann-Germanistik, welche die Besonderheiten der einzelnen Handschriften ausgemerzt sehen wollte und eine ins mittelhochdeutsche 'ubertragene' Urfassung rekonstruierte2, hin zu einem ausgepragten, gleichsam 'archaologischen' Interesse gerade fur diese Besonderheiten; die Frage nach dem Gefallen wird hier nur noch selten gestellt. Neben dem Munchner weist das Berliner Weltgerichtsspiel3 die großte Zahl an hinzugefugten Versen und Veranderungen auf, nach Meinung Reuschels jedoch 'allerhand nicht Hineingehoriges'4. Dieser Vorwurf meint vor allem die zwei großten (textlichen5) Einschube: die Anklage der Welt durch Christus mit anschließender Furbitte Marias6 und den Disput zwischen Leib und Seele7, die Gegenstand der hier gemachten Ausfuhrungen sind. Beide Passagen beeintrachtigen die Folgerichtigkeit des Spiels erheblich, da durch ihren Einschub z.B. die Furbitte (bzw. Deesis) wie auch die Berufung der Apostel teilweise mehrmals wiederholt werden. Es muss also nicht nur nach der Motivation des Redaktors fur die Aufnahme besagter Teile in den Gesamttext gefragt werden, sondern auch danach, warum deren Bearbeitung nicht so erfolgt, dass Unstimmigkeiten erst gar nicht entstehen. Erschienen ihm in den Vorlagen vorkommende Motive so wichtig, dass er gewillt war, trotz moglicherweise erst durch deren Aufnahme entstehende Komplikationen innerhalb des Weltgerichtspiels in Kauf zu nehmen? Oder sind diese gar nicht durch die Vorlagen vorgegeben? Um diese Fragen zu beantworten musste der Weg uber die vermuteten Quellen fur die Einschube genommen werden. Da jene aber nicht, bis auf eine Ausnahme, als direkte Vorlage angesehen werden konnen - die Übereinstimmungen sind oft zu gering oder nicht genau genug - bleiben die hier gezogenen Schlusse in letzter Konsequenz nur hypothetisch.