Ehrgeiz, Demut, Gluck seit uber dreißig Jahren kreist Chris Kraus' Werk um diese Koordinaten. Sei es in ihren Essays zur Kunst, in denen zugleich die Kunst der Freundschaft Thema ist. Sei es in ihren beruhmten Romanen oder den Texten uber befreundete Schriftsteller:innen: Immer geht es um das unbedingte Streben, aus dem Wenigsten das Meiste zu machen und um die zahe Überzeugung, selbst den widrigsten Umstanden dieses Meiste abringen zu konnen. Mit einer Mischung aus Biografie, Autobiografie, Fiktion, Kritik und Gesprach erfindet Chris Kraus in den hier versammelten Texten eine neue Form der anthropologischen Erkundung: Ein Bericht uber die Sex Workers' Art Show Tour reiht sich an eine Reportage uber experimentelle Kleinstgalerien. Der Besuch bei einer autodidaktischen Tanzerin in der mexikanischen Wuste folgt Kraus' eigenen Erinnerungen an die Grundung des von ihr mitgeleiteten Theorie-Verlages Semiotext(e). Einblicke in ihre Zeit als Oben-ohne-Tanzerin sind zugleich Portrats der Gentrifizierung New Yorks wie von Nischen fragiler Freiheit. Ausgewahlt von den Schriftsteller:innen Kevin Vennemann und Heike Geißler, vermitteln die Texte Eindrucke in eine lebenslange Auseinandersetzung an den Randern der Kunstwelt sowie mit den Verhaltnissen, die daruber entscheiden, wer an diese Rander gebannt ist. Chris Kraus' Texte sind weniger Kritik als ein Vorschlag, wie gegenwartige Kunstproduktion durch Begehren und Umstande, Delirium, Klatsch, Zufall und Rache gelesen werden kann. Alle Kunst, so impliziert sie, ist eine soziale Praxis. Und trotz all ihrer Fehler bleibt die Kunstwelt, so Kraus, die letzte Grenze fur den Wunsch, anders zu leben.