Haben Sie sich schon einmal in die Lage eines Menschen versetzt, der anders ist, als alle anderen? Stellen Sie sich den ursprunglich kleinwuchsigen, heimatverbundenen Knaben Franz Winkelmeier vor, der im 14. Lebensjahr ubermaßig zu wachsen beginnt. Zunachst wird er stolz darauf gewesen sein, plotzlich großer zu sein als seine Klassenkameraden, seine Geschwister, seine Eltern. Und auf einmal bemerkt dieser Jugendliche, dass er wegen seiner Große unwillkurlich alle Blicke auf sich zieht, in den Mittelpunkt des Interesses geruckt wird, vielleicht sogar Witze uber ihm gemacht werden. Ist es da ein Wunder, wenn er sich verschamt zuruckzieht, wenn sich Besuch bei seiner Familie ankundigt und er sich in der Tenne versteckt, weil dies der einzige Ort ist, wo er sich aufrecht - und nicht gebuckt - bewegen kann? Es ist derselbe bedruckte Mensch, der sich entschließt, sich als "Naturwunder" zur Schau zu stellen, weil er erkannte, dass diese Schaustellungen jene Moglichkeit sind, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Denn sein Wachstum machte es unmoglich, den angestrebten bauerlichen Beruf zu ergreifen. Stellen Sie sich weiter einen heimatverbundenen Menschen vor, der vermutlich kaum uber Lengau, Friedburg hinaus gekommen ist und sich plotzlich in der damals großen, weiten Welt der Donau-Monarchie befindet. Noch mehr: in Berlin, Paris und London zu Gast ist. Ein Mensch, von maßiger Schulbildung, der ein interessanter Interviewpartner wird und Hoheiten, Prinzen gewitzt Rede und Antwort steht. Wie geht es jemanden, der aus armlichen Verhaltnissen kommt und auf einmal zu einer beruhmten Personlichkeit wird, uber die man weltweit berichtet, wie z.B. in Tansania, Honolulu, Neuseeland usw., also Lander, die er niemals selbst besucht hat und Auftrittsgagen bekommt, von denen die Bewohner in der Heimat nur traumen konnen? Welche Empfindungen hat jemand, der sich relativ bald zwar alle Guter leisten kann, die sein Herz begehrt, aber sich aus geschaftlichen Grunden nicht frei bewegen darf und wenn, dann nur nachts? Dem nichts in seinem Leben angepasst ist, weder Kleidung, Wohnung, Fahrgelegenheiten, Betten (in Gasthofen wurden z.B. vier Betten zusammengeruckt, damit er sich uberhaupt ausruhen konnte), Kirchenbanke, dem die naturlichen Sehnsuchte unerfullt blieben. Das Buch "Franz Winkelmeier, Der Riese von Lengau - Eine Spurensuche" gibt Einblicke in das Leben eines heimatverbundenen Riesen, der auszog, um ein Stuck Normalitat in der großen weiten Welt zu finden.