Eine poetische Zeitreise an den japanischen Kaiserhof des Jahres 1000
Ein Bundel edlen Papiers diente Sei Shonagon vor tausend Jahren als Notizbuch. Ihm vertraute sie an, was ihr durch den Kopf ging, darunter Vertrauliches und Delikates aus den Privatgemachern des Kaiserpalasts. Ob sie geistreiche Zwiegesprache schildert, ein intimes Tête-à-Tête oder das Schwertlilienfest ausmalt ihre Impressionen wirken wie mit dem Tuschepinsel hingetupfte Ewigkeitsbilder. Nie hat man eine Frau inspirierter uber sich und ihre Welt plaudern horen!
Sei Shonagons «Telegramme» aus einer sagenhaften Hochkultur gewahren tiefe Einblicke in das Japan der Heian-Zeit wie auch ins Seelenleben der Verfasserin selbst. Ihr radikal subjektives Bekenntnisbuch, erstmals vollstandig ins Deutsche ubersetzt und dabei von aller falschen Sußlichkeit befreit, bezaubert durch seinen klaren, ungekunstelten Ton. Freizugig stellt hier eine kluge, selbstbewusste Frau Weltbewegendes neben scheinbar Banales, spricht uber Mode oder Galanterie und entlarvt mit spitzer Feder das Intrigenspiel bei Hofe. Aus kritischer Halbdistanz zu den Machtigen zeigt sie das Treiben einer mußiggangerischen Feudalkaste, die sich ihre Zeit mit Kalligraphie, Flotenspiel oder Fußball vertreibt. Und amusiert erkennen wir heutigen Leser: Auch vor tausend Jahren gab es sie schon, die eitlen Parvenus und Bonzen, Trendsetter und Stilikonen, Ästheten und Fashion-Victims.