Dreißig Stunden mussen reichen. So viel Zeit ist fur das Durchschreiten der Niederlage vorgesehen. So lange ist Unordnung erlaubt, steht das Programm still. Dann muss es weitergehen. Noch prachtiger als zuvor. Dreißig Stunden liegen zwischen dem "Es ist vollbracht" der Karfreitagsliturgie und dem"Lumen Christi" der Osternacht. Dreißig von achttausendsiebenhundertsechzig Stunden im Jahr. In Kirchen lasst sich in dieser Zeit beispielhaft beobachten, wie unterschiedlich auch in der Seelsorge mit dem Scheitern umgegangen wird: Die einen bleiben beim Alten. Weggeraumt wird nur, was man beim Auszug unkompliziert aus dem Altarraum mitnehmen kann. Es muss ja ohnehin bald wieder alles an seinem Platz sein. Andere konnen es kaum erwarten, wieder Halleluja zu singen. Das Osterfeuer wird noch im Sonnenschein des Karsamstags entzundet. Wieder andere verklaren Leid zur Tugend und Schmerz zur Prufung - untermalt durch detaillierte Darstellungen. Und es gibt die, die der Leere Platz machen, die sich in Liturgie wie Pastoral dem Scheitern aussetzen, sich aber auch nicht damit abfinden. In dieser letzen Spur bewegt sich dieses Heft. Es hat zwei merkwurdig unverbundene Themen: Scheitern und Aufhoren. Beide werden zunachst fur sich betrachtet: Maria Elisabeth Aigner und Katharina Karl gehen den psychologischen bzw. spirituellen Ebenen des Scheiterns auf den Grund. Christian Kern nimmt daran anschließend die feine Verbindung zwischen beiden in den Blick: Im Widerfahrnis des Scheiterns kann die unverfugbare Gabe des Aufhorens liegen. Sie braucht Orte und Rituale, um wirksam zu werden und zu einem neuen Anfang zu verhelfen. Auf dieser Linie bewegen sich die weiteren Beitrage: So beschreiben unter anderem Petra und Tilman Kirste ganz praktisch "Letzte-Hilfe-Kurse", Hans-Joachim Hohn entfaltet die Kunst, mit dem Aufhoren anzufangen. Schließlich zeigen Gotthard Fuchs und Barbara Schlenke - in je eigener Perspektive -, was passieren kann, wenn man Gott aufhort. Die dreißig Stunden nach dem Kreuzestod sind ein kostbares Leerzeichen der Liturgie: Ostern wird es nicht trotz des Scheiterns, und auch nicht wegen des Scheiterns. Ostern kann es im Scheitern werden. "Das Gelingen" - so hat es Klaus Hemmerle formuliert - "muss immer erscheitert werden. Die Erlosung muss immer erscheitert werden."