Viele Betroffene spirituellen Missbrauchs berichten davon, dass die Tater*innen "den unantastbaren Raum" (Sophia Weixler) in ihnen betreten und zerstoren. Spiritueller Missbrauch kann sexuellen Missbrauch vorbereiten, flankieren, inszenieren und legitimieren. Spiritueller Missbrauch kann aber auch fur sich stehen und stellt ein eigenes Vergehen dar. Er findet in Beichte, Seelsorge und geistlicher Begleitung, in Orden und Neuen Geistlichen Gemeinschaften statt. Die Folgen fur die Betroffenen sind oft katastrophal. Die fundamentale Bedeutung eines personenbezogenen Verstandnisses von Missbrauch erlautert gleich zu Beginn des Heftes Doris Reisinger: Analog zum Begriff des sexuellen Missbrauchs, bei dem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt wird, lasst sich spiritueller Missbrauch als Verletzung des spirituellen Selbstbestimmungsrechts oder "als ein gewaltsames Eindringen in die spirituelle Intimsphare einer Person" (Doris Reisinger) definieren. Die Frage nach konfessionellen und institutionellen Risikofaktoren von spirituellem Missbrauch in der evangelischen Kirche diskutieren im Anschluss daran Rainer Kluck und Helge Staff. Wie gefahrlich der Missbrauch des Gewissens sein kann, und wie wichtig es ist, diesen zu erkennen, macht Samuel Fernández deutlich. Barbara Haslbeck gibt wichtige Einblicke in Fortbildungen zum Thema spiritueller Missbrauch. Im Interview pladiert Bischof Heinrich Timmerevers fur eine umfassende Forderung spiritueller Selbstbestimmung. Im Praxisteil analysiert Stephanie Butenkemper die manipulativen Strategien und gefahrlichen Strukturen toxischer Geistlicher Gemeinschaften. Peter Hundertmark richtet den Blick auf Seelsorge im Umgang mit Missbrauchsbetroffenen und macht klar, dass die Pathologisierung der Opfer und eine Tater-Opfer-Umkehr durch professionelles Verhalten zu verhindern sind. Regina Heyder beleuchtet 'Berufungsmissbrauch' als manipulativen Eingriff in eine besonders vulnerable Lebensphase und Judith Konemann lenkt den Fokus auf Geistliche Gemeinschaften als eigenstandiges Forschungsfeld von spirituellem Missbrauch. Wie alltaglich und 'normal' Systeme und Strukturen von Missbrauch in der katholischen Kirche sind, wird im Beitrag von Julia Knop deutlich. Mit dem Text von Klaus Mertes SJ und der Perspektive der Betroffenen endet der thematische Schwerpunkt dieses Heftes. Wir hoffen, damit einen Beitrag zu einem tieferen Verstandnis des Phanomens spiritueller Missbrauch als auch zur Auseinandersetzung mit umfassenden Praventions- und Interventionsmaßnahmen in den christlichen Kirchen zu leisten. Take care!