Andrew Abbott, einer der wichtigsten Sozialtheoretiker der Gegenwart, unterzieht Texte von Karl Marx und Max Weber einer kritischen Re-Lekture mit uberraschenden Einsichten.
Marx sieht die Gegenwart, so Abbotts Lesart, nur durch Krafte der Vergangenheit bestimmt. Wollen wir die Gegenwart verstehen, brauchen wir jedoch beides. Vergangenes und Zukunftiges ist im konkreten Handeln miteinander verwoben. Weber hingegen begreife Wissenschaft als vergangenheitsorientiert und Politik als zukunftsbezogen, trenne beides jedoch zu sehr voneinander.
Abbott spricht dagegen von "dichten Gegenwarten", in denen sich Vergangenheiten und Zukunftsentwurfe verknupfen. Sie konnen gleichsam historisch erklart werden (Wissenschaft) und bilden die Basis fur schopferische Gestaltungen (Politik). Die viel geruhmte und ebenso umstrittene Werturteilsfreiheit der Sozialwissenschaften ist in dieser Perspektive ein Mythos.