Marylène hat sich nie durch besondere Willensstarke ausgezeichnet. Im Gegensatz zu ihrer Kusine Simone hat sie sich in ihrer Wahlheimat, der Insel Réunion, wohl gefuhlt und gar keine Lust gehabt, wie Simone alljahrlich nach Europa zu reisen. Aber sie, Marylène, war schließlich auch verheiratet. Bei ihr hatte Onkel Victor Lehoux nichts einzuwenden gehabt, wahrend ihm fur seine Tochter kein Mann gut genug gewesen war. Aber dann hatte der Onkel einen Schlaganfall erlitten und war schwer behindert. Die Firma auf Réunion wurde verkauft, und die ganze Familie der Onkel, Simone, Marylène und ihr Mann Philippe beschloß, endgultig nach Paris zu ziehen.
Und dann war auf dem Flug dorthin die Maschine bei der Zwischenlandung in Djibouti abgesturzt. Simone war dabei umgekommen, und nur wie durch ein Wunder hatten Marylène, Philippe und der nun geistig vollig verwirrte Victor Lehoux die Katastrophe uberlebt. Der Geist des alten Mannes hatte sich geweigert, den Tod der einzigen Tochter hinzunehmen; als Marylène sich uber ihn gebeugt hat, flusterte er: «Simone.» Und bei Simone ist es geblieben.
«Laß ihn in dem Glauben», hatte Philippe ihr eingeredet. «Die Wahrheit wurde ihn umbringen. Du tust ein gutes Werk.»
Die Behorden in Djibouti haben ihr provisorische Ausweispapiere gegeben. Auf den Namen Simone Lehoux. Und jetzt ist sie dabei, sich mit diesen Unterlagen eine Geburtsurkunde ausstellen zu lassen, die sie endgultig als Simone Lehoux ausweist. Womit sie zur Kusine ihres eigenen Mannes wird.
Mit zitternden Knien steht Marylène Aussel vor dem Standesamt in Paris. Sie glaubt, jeder musse ihr ansehen, daß sie dabei ist, eine Urkundenfalschung zu begehen. Und zwar aus rein altruistischen Grunden daß sie sich dabei ein Riesenvermogen aneignet, daran hat sie uberhaupt nicht gedacht