Es war einmal ein alter Professor namens Gotthold Kittguß, der hatte weder Weib noch Kind. Bis zu seinem funfzigsten Lebensjahr war er schlecht und recht an einem Berliner Gymnasium Lehrer der christ-evangelischen Religion gewesen. Zudem hatte er die jungeren Jahrgange in die lateinische und griechische Sprache eingefuhrt, wahrend er mit den alteren, soweit sie sich spater der Gottesgelehrsamkeit widmen wollten, das Neue Testament im griechischen Text gelesen und das Hebraische exerziert hatte. Diese funfundzwanzig Jahre seines Lehrerdaseins hatte eine wahre Liebe zu den heranwachsenden Knaben erwarmt, und sein eifrigstes Bemuhen war dahin gegangen, ihnen nicht nur die Schrift, sondern auch den Geist, der in dieser Schrift wohnt, recht faßlich zu machen. Viele Male schon hatte er den Jungen das Neue Testament erklart und damit auch die Offenbarung Johannis, aber nie hatte er versucht, gerade an dieses letzte und ihm sehr liebe Buch der Heiligen Schrift mit eigenen Deutungen heranzugehen. "Da aber ließ mir", wie er in seinem Tagebuch niedergeschrieben, "der Herr mit einemmal ein Licht aufgehen, durch das mir die Pforte zum gottlichen Bau der Offenbarung aufgeschlossen ward. Wie, fragte ich mich, wenn zwar fur die Herrlichkeit des vollendeten Reiches Gottes keine Zeitschranke gesetzt ware, wohl aber fur den vorangehenden Jammer, welcher der Weg zu dieser Herrlichkeit ist? Mit der starksten Klarheit und Überzeugung stellte sich diese Vermutung vor meine Seele, und ich ward so sehr von ihr eingenommen, daß ich nicht mehr imstande war, die Unterrichtung meiner Knaben fortzusetzen " Trotz mancher an ihn gerichteten Bitte von Mitlehrenden und Schulern suchte er um seine Pensionierung nach, die ihm schließlich auch gewahrt wurde. Und nun zog er sich ganz in seine Berechnungen, Textvergleichungen und Schriftdeutungen zuruck. Nur einem Studienfreunde von ehemals, einem Geistlichen Thurke im Mecklenburger Lande, hatte er von den tieferen Grunden zur Veranderung