Es uberrascht immer wieder, wie scharf Fromm Carl Gustav Jung kritisierte. Freud sei der Aufklarer, Jung aber der Verdunkler im Bereich der Seele. Gerade der Beitrag 'C. G. Jung: Prophet des Unbewussten' - eine Rezension von Jungs Autobiographie 'Erinnerungen, Traume, Gedanken' - zeigt, wie schwer sich Fromm tut, auch noch die Verdienste Jungs zu erwahnen. Nur knapp notiert Fromm am Ende des Beitrags: Jung hat 'festgestellt, dass es gewisse intensive Wunsche mit bestimmten Antworten darauf gibt, die den Bedingungen der menschlichen Existenz entsprechen (die 'Archetypen'), und dass diese Archetypen bei allen Menschen zu finden sind. Er hat Freuds Energiekonzept der Libido von ihren engen sexuellen Schranken befreit. Er hat eine Brucke gebaut zwischen dem personlichen Erlebnis und Mythen, Riten und Symbolen.' Trotzdem, die Vorbehalte uberwiegen in diesem Beitrag. Einen der Vorwurfe, die Fromm gegen den Menschen Jung und seine Psychologie formuliert, ist Jungs Opportunismus. Dieser Vorwurf hat vor allem mit Jungs politischer Naivitat und seiner Herausgebertatigkeit des 'Zentralblatts fur Psychotherapie' zu tun. Hier habe Jung zwischen einer arischen und einer judischen Psychologie unterschieden.
Erich Fromm, Psychoanalytiker, Sozialpsychologe und Autor zahlreicher aufsehenerregender Werke, wurde 1900 in Frankfurt am Main geboren. Der promovierte Soziologe und praktizierende Psychoanalytiker widmete sich zeitlebens der Frage, was Menschen ahnlich denken, fuhlen und handeln lasst. Er verband soziologisches und psychologisches Denken. Anfang der Dreißiger Jahre war er mit seinen Theorien zum autoritaren Charakter der wichtigste Ideengeber der sogenannten 'Frankfurter Schule' um Max Horkheimer. 1934 emigrierte Fromm in die USA. Dort hatte er verschiedene Professuren inne und wurde 1941 mit seinem Buch 'Die Furcht vor der Freiheit' weltbekannt. Von 1950 bis 1973 lebte und lehrte er in Mexiko, von wo aus er nicht nur das Buch 'Die Kunst des Liebens' schrieb, sondern auch das Buch 'Wege aus einer kranken Gesellschaft'. Immer starker nahm der humanistische Denker Fromm auf die Politik der Vereinigten Staaten Einfluss und engagierte sich in der Friedensbewegung. Die letzten sieben Jahre seines Lebens verbrachte er in Locarno in der Schweiz. Dort entstand das Buch 'Haben oder Sein'. In ihm resumierte Fromm seine Erkenntnisse uber die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. Am 18. Marz 1980 ist Fromm in Locarno gestorben.