Meine Begeisterung fur die Chagall-Fenster des Fraumunsters in Zurich hat eine sehr lange Vorgeschichte.
1995 hielt ich einen langeren Vortrag uber die Chagall-Fenster, der auf der traditionellen christlich-judischen Sichtweise beruhte und die Motive in Bezug zu den Bibelstellen setzte, die durch die Fenster illustriert wurden. Was die Verbindungen der Fenster mit- und zueinander sowie das Kompositionsprinzip betraf, ubernahm ich die kundigen und plausiblen Gedanken von Irmgard Vogelsanger-de Roche aus ihrem Buch Die Chagall-Fenster in Zurich" (1971).
Jedes Mal, wenn ich in Zurich zu tun hatte, gehorte ein Besuch des Fraumunsters zum Standardprogramm. Die Fenster verloren nie an Faszination, ich konnte sie stets aufs Neue betrachten, entdeckte immer weitere Details und Beziehungen der Fenster zueinander. Dabei liess mich das Gefuhl nicht los, dass es da noch eine tiefere Schicht gab, die von den vordergrundigen, so leicht zuganglichen Darstellungen uberdeckt wurde, vergleichbar mit Gemalden alter Meister, die man mittels Rontgenaufnahmen unter ubermalten Bildern fand.
So ahnlich ging es mir, als ich mein Heureka-Erlebnis hatte, sich die oberste Schicht der Fenster aufloste und die darunter liegende sichtbar wurde. Da fugten sich mit einem Mal die Puzzleteile zusammen und schlagartig war alles ganz klar und einleuchtend: die Gesamtkomposition mit ihrem Konstruktionsprinzip und ihrer Farbverteilung auf die Fenster, die Inhalte und der Aufbau der einzelnen Fenster.