Die Kolonien sind inzwischen weit¬gehend abgeschafft, aber haben sich damit auch das Kolonialverhaltnis und der allgegenwartige Rassismus aufgelost? Nicht nur die jungsten Debatten uber Postkolonialismus, um die Thesen des Philosophen Achille Mbembe oder uber das Konzept des Humboldtforums im Berliner Schloss zeigen, dass dieses Trauma auch nach der Erringung der politischen Unabhangigkeit auf vielen Landern der Dritten Welt noch lastet und ein rassistisch oder kolonialistisch gefarbter Überlegenheitsdunkel nach wie vor in erschreckendem Maße die Haltung ist, die die Erste Welt gegenuber den Menschen und Gesellschaften in den fruheren Kolonien einnimmt. Auf hohem literarischen Niveau und mit einem unbestechlichen, prazisen Blick fur die Realitat seiner Gesellschaft zeichnete der in Tunesien als Jude geborene Albert Memmi erstmals in den 1950er Jahren mit seinen beiden Portrats, einem Grundtext der antikolonialen Opposition. Auch wenn heute diese Studie gewiss anders als in der Phase des Zerfalls der großen Kolonialimperien zu lesen ist, zeigt Adam Shatz in dem angefugten und kurzlich in der London Book Review erschienenen Nachwort, dass sie nichts von ihrer Aktualitat eingebußt hat.