Im Mittelpunkt von 'Der Wille zum Leben' steht die Haltung des Menschen dem Tod gegenuber. Die Frage, warum Menschen medizinische Vorsorgeuntersuchungen nur so wenig wahrnehmen, dient Erich Fromm als Aufhanger, um zwei sich widersprechende Hypothesen zu entfalten: Die Menschen haben kein wirkliches Interesse mehr am Leben, sondern werden von einer chronischen Depression oder gar von nekrophilen Tendenzen bewegt, so dass ihr Lebenswille gebrochen ist. Dieser Hypothese steht die zweite nur scheinbar entgegen: Die Menschen haben so sehr Angst vor dem Tod, dass sie jede arztliche Untersuchung meiden, um nicht mit einer todbringenden Krankheit konfrontiert zu werden. Beide Thesen widersprechen sich nicht, wenn die unbewusste Grundhaltung miteinbezogen wird: Wer das Leben und alles, was das Leben attraktiv macht, in der Weise des Habens betrachtet, der wird von allem Leblosen angezogen und kann gleichzeitig das Leben nicht hergeben, eben weil es ein lebloser Besitz ist.
Erich Fromm, Psychoanalytiker, Sozialpsychologe und Autor zahlreicher aufsehenerregender Werke, wurde 1900 in Frankfurt am Main geboren. Der promovierte Soziologe und praktizierende Psychoanalytiker widmete sich zeitlebens der Frage, was Menschen ahnlich denken, fuhlen und handeln lasst. Er verband soziologisches und psychologisches Denken. Anfang der Dreißiger Jahre war er mit seinen Theorien zum autoritaren Charakter der wichtigste Ideengeber der sogenannten 'Frankfurter Schule' um Max Horkheimer. 1934 emigrierte Fromm in die USA. Dort hatte er verschiedene Professuren inne und wurde 1941 mit seinem Buch 'Die Furcht vor der Freiheit' weltbekannt. Von 1950 bis 1973 lebte und lehrte er in Mexiko, von wo aus er nicht nur das Buch 'Die Kunst des Liebens' schrieb, sondern auch das Buch 'Wege aus einer kranken Gesellschaft'. Immer starker nahm der humanistische Denker Fromm auf die Politik der Vereinigten Staaten Einfluss und engagierte sich in der Friedensbewegung. Die letzten sieben Jahre seines Lebens verbrachte er in Locarno in der Schweiz. Dort entstand das Buch 'Haben oder Sein'. In ihm resumierte Fromm seine Erkenntnisse uber die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. Am 18. Marz 1980 ist Fromm in Locarno gestorben.