Wie schmeckt die Erinnerung? Und wie kommt es zu großen und kleinen Entdeckungen?
Der Erzahler besucht in einem Altersheim eine Frau, von der er glaubt, sie habe die Currywurst entdeckt. Lena Brucker, weit uber achtzig, ruckt aber auf seine Fragen nicht so schnell mit der Antwort heraus. Vielmehr erzahlt sie eine ganz andere Geschichte, die zunachst recht alltaglich beginnt, sich dann aber als eine unerhorte Begebenheit erweist. Im April 1945, kurz vor Kriegsende, hat sie einen Marinesoldaten in ihrer Wohnung versteckt und mit ihm ein Liebesverhaltnis angefangen. Dann aber kapituliert Hamburg. Die vierzigjahrige Lena Brucker will den jungen Deserteur noch nicht heim zu Frau und Kind lassen. Sie verschweigt ihm, daß der Krieg zu Ende ist. So sitzt er in der Wohnung fest und wird mit Ersatzgenussen umsorgt, Geschichten und Gerichten: Wildgemuse, Eichelkaffee und falscher Krebssuppe. Bis er eines Tages den Geschmackssinn verliert.
Eine Novelle im ursprunglichen Sinn des Wortes, namlich als »kleine Neuigkeit«. In ihr wird erzahlt, wie man sich in dunklen Zeiten ein Licht aufsteckt, am Leben halt, sich ein wenig Lust sichert, wenn notig auch mit der Luge. So wird das Erzahlen, ohne jede theoretische Reflexion, thematisiert: wie diese labberigen Wurstscheiben durch ein Gewurz eine marchenhafte Fremde bekommen und damit das Wunderbare ins Alltagliche bringen. Die Frage nach der Entdeckung der Currywurst fuhrt schließlich wie in einem Kreuzwortratsel am Ende doch noch zu einem verborgenen Sinn.
Am 04. September 2024 feiert die Currywurst ihr 75. Jubilaum. Kein anderer Autor hat ihr ein so literarisches Denkmal gesetzt wie Uwe Timm mit »Die Entdeckung der Currywurst«.