Er ist eigentlich ein guter Kerl, offen, fürsorglich, fleißig, liebt gutes Essen, Schnaps und Frauen. Den Freunden ist er ein treuer Freund. Doch er ist ein Kriegsverbrecher. Er hat Menschen gefangen, gefoltert, getötet, ihre Leichen im Wald verscharrt. Nun ist er am Ende. Seine Lunge ist vom Krebs zerfressen, der Tod schläft in seinem Bett. Im Bruderkrieg der Serben, Kroaten und Bosnier gab er sein Bestes, jetzt legt man es ihm zur Last. Er fühlt sich hintergangen, mißverstanden, und da er nichts mehr zu verlieren hat, spricht er sich aus. Das Schicksal habe ihn auf die Seite der Schergen gestellt, andere wieder zu Opfern gemacht. Im nächsten Leben werde es umgekehrt sein. Alle würden doch stehlen, rauben und morden ohne Unterschied. Einer nach dem anderen, wie sich das Rad des Lebens dreht. Bäcker, Maler und Dichter würden zu Folterknechten werden und Henker wieder zu Dichtern. So habe ein jeder seine Zeit, wenn auch nicht immer die Wahl, um Opfer oder Täter zu werden. Dies sei seine Zeit gewesen, um Schmerz zu säen, so wie sein Vater einst bei den Partisanen mitgemacht hatte.
Vladimir Ulrich wurde 1948 in Gablonz an der Neiße geboren, besuchte dort ein Wirtschaftsgymnasium, studierte Heilpädagogik an der Karlsuniversität Prag, Psychologie und Slawistik an der Julius-Maximilian Universität Würzburg, ergänzend EDV und Wirtschaft in Frankfurt am Main. Promotion in Bohemistik an der Universität Regensburg. Arbeitet als Übersetzer.