Ein heißer Sommer im Prag der Funfzigerjahre: Jana Honzlová, eine junge Sangerin in einem Folklore-Ensemble, darf nicht mit auf Tournee gehen, denn seit ihr Vater ins kapitalistische Ausland gefluchtet ist, gilt sie im kommunistischen System als politisch unzuverlassig. Stattdessen soll sie im Betriebsburo die Stellung halten, wo sie ihr Leid mit der freundlichen Putzfrau teilt und heimlich internen Intrigen nachforscht. Aber auch ihre komplizierte Familiensituation halt die Ich-Erzahlerin in Atem, die alles, was ihr widerfahrt, mit Unverblumtheit und Straßenwitz schildert. Denn Jana Honzlová ist eine, die nicht so schnell aufgibt und sich ihre Chuzpe bewahrt. Umso erschutternder ist es fur sie, als die Verhaltnisse am Ende doch machtiger erscheinen. Salivarová, die viele eigene Erfahrungen in den Roman einfließen ließ, erzahlt gewissermaßen die Vorgeschichte des Prager Fruhlings; dabei verzichtet sie auf Klischees oder Moralpredigten. Ihr gelingt das authentische Portrat einer vergangenen Zeit, das mit Leichtigkeit und Witz vorgetragen wird, ohne die Tragik und Absurditat auf die leichte Schulter zu nehmen. Ein Sommer in Prag" (im Original: Honzlová") erschien erstmals 1972 im kanadischen Exil und gehort fur viele Kritiker*innen zum Besten, was in der tschechischen Literatur der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Nun liegt endlich die deutsche Erstausgabe vor.