Kaum ein Monarch wird so sehr als Reprasentant einer vermeintlich guten alten Zeit" verklart wie der letzte große Habsburgerkaiser Franz Joseph I. Dabei erscheint er mal in volkstumlicher Tracht als Jager, mal in Uniform als großvaterlich-gutige Gestalt und stets mit ungeheurem Fleiß um das Wohl seiner vielen Volker bemuht. Doch wenn man so wie das Autorenpaar Michaela und Karl Vocelka in einer umfassenden, modernen, spannend geschriebenen Biographie die historische Personlichkeit vom Schleier der Nostalgie befreit, zeigt sich ein Mann, der immer wieder im Zentrum schwerster politischer und privater Sturme stand und dessen Leben von hartesten Schicksalsschlagengezeichnet war. In den Wirren der 48er Revolution als Hoffnungstrager auf den Thron gelangt, verdunkelt sich die Aura des jungen Monarchen schon bald wahrend der grausamen Unterdruckung des ungarischen Widerstands und wird umso dusterer infolge blutiger Niederlagen wie jenen von Solferino (1859) im Kampf gegen die italienische Einigung und von Koniggratz(1866) im Krieg gegen Preußen. Franz Josephs Kronung zum Konig von Ungarn nur ein Jahr darauf bildet den politischen Glanzpunkt seiner knapp 68 Jahre wahrenden Regierungszeit. Im Übrigen zeigt sich der Kaiser, durchdrungen vom Gedanken seiner Herrschaft von Gottes Gnaden, meist als retardierender Faktor einer konstitutionellen Entwicklung, deren sein Reich doch so dringend bedurfte. Aus seinem Familienleben konnte er schwerlich Kraft gewinnen fur sein offentliches Wirken: Hatte sich ihm doch Elisabeth die legendenumrankte Sisi , mit der er als junger Kaiser eine Liebesheirat eingegangen war, im Laufe ihrer Ehe immer mehrentfremdet. Kronprinz Rudolf nahm sich auf Schloss Mayerling 1889 unter skandalosen Umstanden das Leben; und bereits 1867 war der Bruder Franz Josephs, Kaiser Maximilian von Mexiko, von einem Revolutionstribunal zum Tode verurteilt und erschossen worden. So entsprachen die Worte, mit denen Franz Joseph 1898 die Nachricht von der Ermordung seiner trotz aller Spannungen geliebten Frau entgegennahm, durchaus den bitteren Realitaten seines Lebens: Mir bleibt doch gar nichts erspart auf dieser Welt!" Wie sehr der Kaiser mit diesem Diktum recht behalten sollte, zeigte sich, als nach den Schussen von Sarajewo am 28.Juni1914 Europa in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs taumelte, in der das Habsburgerreich unterging.