Drei Indien-Reisen im Zeitraum von 1975 bis 1986 haben im Werk von Gunther Grass Spuren hinterlassen. Er bricht dabei entschieden mit einem Indien-Bild der deutschen Literatur, das von der Romantik inspiriert und von Hermann Hesse verfestigt wurde ("indische Dichtung" "Siddhartha"). Dem stellt Grass seine radikale politische Kritik an den sozialen Zustanden in Indien entgegen: Massenarmut, Überbevolkerung, verelendete Stadte. Spatestens mit seinem wichtigsten Indien-Buch "Zunge zeigen" (1988) gewinnt Grass ein komplexes Bild von Indien. Die geistige Mitte des Buches bildet die Gottin Kali. Sie steht fur die zerstorerische Seite des Gottlichen. Die "schreckliche Mutter", ist aber auch eine Kraft der Veranderung, bei der die Machtverhaltnisse und sozialen Zustande nicht so bleiben konnen wie sie sind.