In einem scharfsinnigen Essay untersucht Tonio Holscher das inflationar gebrauchte Konzept der kulturellen, sozialen und politischen Identitat und befragt es mit einem kritischen Ruckblick auf das alte Griechenland. Zur Debatte stehen die Dynamik von politischer und kultureller Identitat in der Antike wie auch die Bedeutung des Begriffs in der Gegenwart. Eine brillante wie streitbare Analyse von großer politischer Aktualitat.
Das Bewusstsein von Identitat ist in der global geoffneten Welt zu einem universalen Fundament des Zusammenhalts von politischen, sozialen, kulturellen und religiosen Einheiten geworden. Als Folge davon ist der Begriff der Identitat in den aktuellen Diskursen wie in den historischen Wissenschaften in zwei Richtungen expandiert. Zum einen wird kollektiven Einheiten ihre Identitat als ein nicht hinterfragbares Recht zugesprochen; dabei wird die konfliktsuchende Aggressivitat kollektiver Identitat in Kauf genommen. Zum anderen fuhrt das fundamentalistische Konzept der Identitat zu einem inflationaren Gebrauch, der dem Begriff jede klarende Prazision nimmt und den Blick auf entscheidende Fragen des Lebens verdeckt.