Theoretische Ausgangspunkte der Studie bilden Einsichten aus den fruhen rechtssoziologischen Arbeiten Niklas Luhmanns, nach denen sich sowohl Rechtsbildungsprozesse auf den Systemebenen von Interaktion, Organisation und Gesellschaft als auch Rechtsstrukturen verschiedener, sozialstrukturell korrelierter Rechtstypen unterscheiden lassen. Insbesondere der alteren" Rechtssoziologie Luhmanns erstmals erschienen im Jahr 1972 lassen sich ein pluralistischer Begriff sowie ein evolutionstheoretisches Entwicklungsmodell des Rechts entnehmen, die es erlauben, das Recht verschiedener Systemtypen bzw. die Rechtsstrukturen verschiedener Rechtstypen zu differenzieren und zu vergleichen. Vor dem Hintergrund dieser beiden Unterscheidungs- und Vergleichsmoglichkeiten qualifiziert sich das kanonische Recht ein von der Soziologie bislang kaum eingehender untersuchter Gegenstand zu einem ausgesprochen interessanten empirischen Phanomen. Zwei zentrale Eigenheiten des romisch-katholischen Kirchenrechts werden unter dem Blickwinkel einer systemtheoretisch informierten Rechtssoziologie in bemerkenswerter Weise sicht- und beschreibbar: Die Entwicklung des kanonischen Rechts von einem Gesellschaftsrecht zu einem Organisationsrecht im Übergang zur modernen Gesellschaft einerseits, die rechtsstrukturelle Eigentumlichkeit des kanonischen Rechts als ein Organisationsrecht in der modernen Gesellschaft andererseits.