Magisterarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Rheinisch-Westfalische Technische Hochschule Aachen (Germanistisches Institut - Lehrstuhl fur NDL), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Begriff 'Neue Sinnlichkeit kursiert derzeit sowohl im Feuilleton als auch in germanistischer Fachliteratur als Schlagwort fur die neueste literarische und philosophische Entwicklung. Die grobe Verallgemeinerung, die derartige Begriffe stets beinhalten, darf nicht den Blick verstellen fur die intendierte fundamentale Erschutterung vorherrschender westlicher Erkenntniskonzepte und Blickwinkel der Selbstgewahrwerdung. Die Anbindung jeglicher Erkenntnisfahigkeit an sinnliche Wahrnehmung und (korperliche) Erfahrung bedeutet eine eminente Aufwertung der Leiblichkeit und damit der Materie. Es gilt aufzudecken, welche Positionen im Diskurs um die Wahrnehmung von Wahrnehmung jeweils eingenommen werden. Das Feld wird einerseits abgesteckt durch die Annahme, es handle sich um einen rein rezeptiven Akt, Wahrnehmung bestehe sozusagen im Eindringen von Qualitaten existenter Entitaten in das psychische System des Menschen, und der konstruktivistischen Auffassung andererseits, die davon ausgeht, daß die neurologisch erzeugten Wahrnehmungsinhalte eine Interpretation des Neuronencodes darstellen, die keinerlei Schlusse auf die (moglicherweise vorhandenen) Objekte zulassen. Wahrnehmung kann also durchaus nicht unproblematisch als Fundament einer Erkenntnistheorie gesetzt werden. Gleichzeitig legt das Attribut 'neue nah, daß eine Abgrenzung von bisherigen Konzepten stattfindet, die es qualitativ erlaubt, die Dichotomie 'alt vs. 'neu zu bemuhen. Naturlich handelt es sich nicht um eine ganzlich neue Denkfigur, die ohne historische Vorlaufer auskame. Zu nennen ware hier etwa das Prinzip der 'sinnlichen Erkenntnis im asthetischen Modell Baumgartens ebenso wie der Gegenpol Goethe als Vertreter der 'klassischen Sinneshierarchie. Beispielhaft konnen die Veranderungen an einzelnen Motiven, wie dem des Spiegels, dargelegt werden. Trotz aller Heterogenitat sind die Linien - zumindest in der Theorie - recht deutlich zu erkennen. Die traditionelle Sinneshierarchie mit dem Distanzsinn Auge als hochstem Sinn erfahrt eine radikale Umwertung. Die sogenannten niederen Sinne, die Nahsinne, und hier insbesondere das Taktile, werden zur zentralen Große des Selbstgewahrwerdens. Der Begriff der 'Unmittelbarkeit tritt in seiner ganzen korperlichen Dimension an die Stelle des Wahrheitsbegriffs. Die transzendentale Obdachlosigkeit kann so durch die sinnliche Heimat wettgemacht werden. [...]