Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediavistik, Note: 2,0, Philipps-Universitat Marburg (Germanistik), Veranstaltung: Hauptseminar WS 2005/06, 11 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung Das ubergreifende Buchprojekt unter dem Titel 'Die Entdeckung des Ich' aus dem Jahre 2001 macht bereits in seinen Kapiteluberschriften eine grundlegende Auffassung uber die Gestaltung von Personlichkeit im Mittelalter deutlich. 1 Das erste dieser Kapitel ist mit 'Spuren der Individualitat im Mittelalter und in der Renaissance' uberschrieben, das zweite 'Entdeckung des Selbst in der Fruhen Neuzeit'. Der mehr oder minder deutlichen Abgrenzung entspricht auch der Hinweis Haases, dass es 'in mittelalterlichen Dichtungen nicht um die Darstellung psychologisch motivierter Vorgange geht, sondern um idealtypische Verhaltensformen, um ein Geschehen an sich, zu dessen Veranschaulichung die Figuren lediglich als Handlungstrager fungieren.' 2 Ganz im Gegensatz dazu formuliert der Kommentar der Klassiker-Ausgabe zu Hartmann von Aues 'Erec', es sei das '[...] Bestreben des vorliegenden Kommentars, die Darstellungsweise Hartmanns als ein Muster psychologischer Charakterisierungskunst zu prasentieren.' 3 Die Frage nach der Individualitat im Mittelalter fuhrt also direkt in eine hochspannende und seit langerer Zeit mit verbittertem Ernst gefuhrte Forschungskontroverse. 4 Vielleicht ist der Gegenstand eben deshalb so umstritten, weil er so sehr das Selbstverstandnis des Menschen im 20. und 21. Jahrhundert beruhrt, weil er so sehr dazu geeignet ist, auch uber seine Identitat etwas auszusagen. Wie aber ist nun der Hinweis der Klassiker-Ausgabe zu verstehen? Glaubt man, dass der Artusroman Hartmanns von Aue eine Ausnahme gegenuber der ublichen Charakterdarstellung im hofischen Roman darstelle? Wohl kaum. Vielmehr wird hier der 'Erec' geradezu als exemplarisch fur eine ganzlich andere Auffassung von hofischer Literatur prasentiert. Dies zu uberprufen wird die Aufgabe dieser Arbeit sein. Die Gefahr, auf der Suche nach dem 'Individuum' in begriffliche Verwirrung zu geraten, ist dabei sehr hoch. Ihr soll mit einer moglichst prazisen Zielvorgabe entgegengewirkt werden. Hier soll nicht versucht werden, eine Feststellung daruber zu treffen, ob oder inwieweit im Mittelalter ein Bewusstsein von Individualitat bestanden habe, sondern es gilt allein herauszufinden, inwieweit in den beiden Artusromanen Hartmanns von Aue der Versuch unternommen wird, den Figuren eine unverwechselbare Personlichkeit zu verleihen. Es werden hier keine Aussagen uber 'den mittelalterlichen Menschen', der notwendig ein Konstrukt ist, getroffen. [...]