Rezension / Literaturbericht aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Politik - Sonstige Themen, Note: 2,0, Freie Universitat Berlin (OSI), Veranstaltung: Über Untergrundschriften in der DDR, Sprache: Deutsch, Abstract: Mit Rudolf Bahro hatte man es mit einem Universalgelehrten, mit einem Exoten, mit einem Seher zu tun. Gewiß, auch bei ihm gab es Zerrlinsen. Er ist in Gebiete hineingegangen, von denen viele noch nichts wissen wollen, wo die zentralen Existenzfragen dieser Menschheit in Zukunft entschieden werden. Manche seiner Ideen und Analysen sind fur den mit seinem Wissenshorizont nicht Vertrauten, halsbrecherisch verknupfte Steigpfade. Bahro ist nicht einfach gestrickt, man muß sich in seinen vielschichtigen Erkenntniskosmos einarbeiten, und mancher Zusammenhang wird wohl fur immer im Dunklen bleiben. Oft konnen Elemente seiner Erfahrungs- und Wissenswelt mit Hilfe von Sekundarliteratur freigelegt oder doch zumindest transparenter gemacht werden. Den zentralen Grundstock erhalt man durch die Lekture seiner Werke zweifelsohne, aber man sollte nicht meinen, sich dadurch den ganzen Bahro erschlossen zu haben, selbst wenn seine Vorlesungen an der Humboldt-Universitat zu Berlin eines Tages soweit moglich publiziert sein sollten. Es gibt da dennoch einen breiten Gurtel, der nur schwer zu erschließen ist, auch je abhangig von den Vorkenntnissen desjenigen, der sich damit auseinandersetzt. Vor solchem Hintergrund kann eine Biographie viele Details der Lebensgeschichte berichten. Das Wissensnetzwerk, die Motivationen und die Verknupfungen in den Lebenslauf hinein sind dagegen viel schwieriger zu rekonstruieren, insbesondere beim spaten Bahro. Da sind Fehlwahrnehmungen schnell eingebaut. Das liegt in der Natur des Stoffs. Sympathisch, daß die Biographen einraumen, Bahro ist ein zu umfassender Denker, als daß sie seine geistigen Fragestellungen und Perspektiven mit ihrem Band ausloten konnten. Wie schon sich jedoch naive Vorurteile uber Bahro stricken lassen, kann man an etlichen Rezensionen ablesen, die zum Erscheinen der Biographie 'Rudolf Bahro - Glaube an das Veranderbare' von Guntolf Herzberg und Kurt Seifert in den verschiedenen Tageszeitungen etc. nachzulesen waren. Reze nsionen, wie die von Manfred Kriener in der 'tagesze itung' oder jene von Michael Jager im 'Freitag', die den wirklichen Bahro andeuten, sind eher in der Minderheit. Besonders obskur kommt eine Rezension in der 'Zuricher Zeitung' von Stefan Dornuf daher. Zunachst erscheint dem Rezensenten das Schreiben der Biographie selbst als eine dubiose Auszeichnung fur Bahro. Aus seiner Sicht ist jede Befassung mit Bahro seit seinem Besuch bei Baghwan nicht mehr zu rechtfertigen. [...]